Bericht: Sitzung des Kultusvorstands vom 11. März 2025

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Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Gemeindemitglieder!

In der Sitzung des Kultusvorstands vom 11. März 2025 wurden folgende Themen behandelt:

-       Anwesenheit der Mandatarinnen und Mandatare

-       Umlaufbeschlüsse: Kultusbeitrag 2025, Delegierte in den IRG-Vorstand, Friedhofsordnung

-       Zukunft des Restaurants Alef-Alef

-       Neue Bundesregierung, FPÖ & Israel

-       Rückgabe eines Gemäldes

-       Bericht des Präsidenten

Anwesenheit der Mandatarinnen und Mandatare

IKG-Präsident Oskar Deutsch stellte zu Beginn der Sitzung fest, dass erneut zu viele Mandatare und Mandatarinnen abwesend waren. Insbesondere jenen, die wiederholt fernbleiben legt er nahe, auf ihr Mandat zu verzichten.

Deutsch berichtete in der Folge, dass KV Noah Scheer (Atid) ein dreimonatiges Praktikum in einem italienischen Krankenhaus angetreten hat und er sein Mandat unter Vorbehalt zurückgelegte, damit dieses auch bis Mai ausgefüllt wird. Neu im Kultusvorstand begrüßt wurde daher KVin Mimi Brownstone (Atid).

Umlaufbeschlüsse

IKG-Präsident Deutsch informierte den Kultusvorstand statutengemäß über im Februar erfolgte drei Umlaufbeschlüsse, die alle mehrheitlich angenommen wurden.

1.    Alle IKG-Gemeindemitglieder erhalten mit der Beitragsvorschreibung für 2025 das Angebot, künftige Kultusbeitrag-Vorschreibungen per E-Mail statt per Post zu erhalten. Wer sich dazu entschließt, dessen Mitgliedsbeitrag wird 2025 um zehn Euro reduziert.

2.    Für die aktuelle Funktionsperiode wurden von der IKG Wien Oskar Deutsch, Dezoni Dawaraschwili und Erich Nuler als Delegierte im Vorstand der Israelitischen Religionsgesellschaft bestätigt.

3.    Die Statutenkommission wurde beauftragt, eine neue Friedhofsordnung auszuarbeiten. Die Beschlussfassung darüber fällt schließlich im Kultusvorstand.

Zukunft des Restaurants Alef-Alef

Tom Zäuner, Leiter der Immobilienabteilung, informierte den Kultusvorstand über laufende Gespräche mit den derzeitigen Betreibern des aschkenasisch-koscheren Lokals Alef-Alef in der Seitenstettengasse. Auf Grund vor allem äußerer Bedingungen – weniger jüdische Touristen, weniger Airlines, die koscheres Essen benötigen, das vom Catering des Restaurants geliefert wird – sei das Lokal nicht wirtschaftlich zu führen. Man müsse nun eine Lösung finden.

Der IKG-Präsident schlug vor, statt des Restaurants die Veranstaltungsräume, also das Gemeindezentrum, zu vergrößern, dabei aber mit dem Einbau von zwei Anrichteküchen – einer aschkenasischen und einer sefardischen – künftig bei Kidduschim sowie Feierlichkeiten und Veranstaltungen das Catern je nach Bedarf zu ermöglichen. Die Gespräche seien aber noch am Laufen, vielleicht würden die derzeitigen Betreiber auch eine andere Lösung unterbreiten. Deutsch erbat vom Kultusvorstand das Pouvoir, in alle Richtungen verhandeln zu dürfen und dem Kultusvorstand Lösungsangebote zur finalen Entscheidung vorzulegen. Dem stimmte der Kultusvorstand einstimmig zu.

Neue Bundesregierung, FPÖ & Israel

Präsident Deutsch zeigte sich erfreut, dass nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP sich schließlich ÖVP, SPÖ und NEOS doch auf eine Regierungszusammenarbeit einigen konnten.

KV Erich Nuler (Atid) fasste dann das 211 Seiten lange Regierungsprogramm von ÖVP, ÖVP und NEOS für die Jahre 2025 – 2029 in Hinblick auf vordergründig jüdische Themen zusammen. Vieles von dem, was von der FPÖ in den Verhandlungen mit der ÖVP abgelehnt worden war, findet sich nun im Programm der amtierenden Dreier-Koalition.

Demnach soll die Nationale Strategie gegen Antisemitismus ausgeweitet werden. Im Strafrecht soll es zu Verschärfungen bei der Ahndung von religiös motiviertem Extremismus (Islamismus) kommen. Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte sollen künftig eine Erklärung gegen Antisemitismus unterzeichnen müssen. Die Regierung möchte zudem einen weiteren Aktionsplan etablieren – gegen Hate Crime. Darunter fällt auch Antisemitismus von jedweder Seite. Verankert wurde die Einrichtung eines nationalen jüdischen Kulturgüterfonds. Ansonsten finde sich im Regierungsprogramm ein Bekenntnis zu Israel, das nicht so deutlich ausfällt wie jenes im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen aus 2020, aber eine Fortsetzung der ausgezeichneten bilateralen Beziehungen und des Einstehens für Israels Sicherheit in internationalen Foren wie EU und UNO ermöglicht.

Länger debattiert wurde u.a. über die Rolle der Justiz in der Bekämpfung des israelbezogenen Antisemitismus seit dem 7. Oktober 2023 : zum einen die Problematik, dass viele der Anzeigen durch die Polizei, zum Beispiel bei Demos, strafrechtlich nur selten verfolgt werden. Deutsch zeigte sich verärgert, dass im Fall der bereits zum zweiten Mal heruntergerissenen bzw. beschädigten israelischen Fahne vor dem Stadttempel, vergangene Woche die Verständigung von der Staatsanwaltschaft gekommen sei, dass es sich lediglich um eine geringfügige Tat handle und daher kein Verfahren eröffnet werde. Deutsch meinte, das sei umso unverständlicher, als die Identität der Täterinnen – zwei Schwedinnen – festgestellt wurde.

Diskutiert wurde aber auch über das Vorhaben der Regierung, eine Machbarkeitsstudie für ein Holocaust-Museum durchführen zu lassen. Deutsch, der einen solchen Ort – eher in Gestalt eines Schoa-Zentrums – schon mehrfach angestoßen hat, zeigte sich überzeugt, dass solch eine Einrichtung kommen werde. Das könne aber noch einige Jahre dauern, so der Präsident in Hinblick auf die derzeit angespannte Budgetsituation. KV Yaakov Frenkel (Kehille) wandte ein, ihm wäre lieber, es würde in die heutige Gemeinde investiert anstatt in tote Juden. Deutsch hielt entgegen, dass solch ein Zentrum nicht für die Gemeinde gebraucht würde, sondern um in der Gesamtgesellschaft das Wissen um die Schoa zu erhalten und weiterzugeben. Zeitzeugen gebe es heute schon fast keine mehr. KVin Dwora Stein (Bund) betonte, sie halte es für wichtig, dass in einem solchen Zentrum „die Täter in den Mittelpunkt rücken, nicht die Opfer“. Das fehle in Österreich.

Nuler informierte den Kultusvorstand zudem über eine weitere innenpolitische Eskapade. Während der noch laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP wurde die israelische Likud-Partei bei einem Kongress der „Patrioten“ in Madrid als Observer aufgenommen. Bei den „Patrioten“ handelt es sich um einen Zusammenschluss mehrerer rechts positionierter Parteien zu einer Fraktion im EU-Parlament, der Abgeordnete aus elf Ländern angehören (darunter die FPÖ, der Rassemblement National aus Frankreich, Fidesz aus Ungarn, Vox aus Spanien, Lega aus Italien, Vlaams Belang aus Belgien oder die Partei für die Freiheit (PVV) aus den Niederlanden).

Sowohl der FPÖ-EU-Abgeordnete Harald Vilimsky als auch FPÖ-Chef Herbert Kickl posteten darüber auf ihren Social Media Kanälen und verbanden dies mit einem Willkommen an den Likud und Premier Benjamin Netanjahu. Was auffiel war, dass die anderen Mitgliedsparteien der „Patrioten“ dies nicht taten, so Nuler. Israelische Medien und „Die Presse“ gingen dem nach und stellten fest: der Likud bleibt auf Distanz zur FPÖ. Die FPÖ habe offenbar während der Koalitionsverhandlungen mit dieser Social Media-Inszenierung Regierungsfähigkeit zeigen wollen.

Rückgabe eines Gemäldes

Die Restitutionsabteilung der IKG empfahl die Rückgabe eines Gemäldes, das sich derzeit als Leihgabe der IKG im Jüdischen Museum Wien befindet, wie Generalsekretär Benjamin Nägele dem Kultusvorstand berichtete. Bei dem Kunstwerk handelt es sich um ein Männerporträt („Brustbild eines bärtigen Herrn“), vermutlich von Leopold Glaser (das Ölgemälde ist undatiert und unsigniert). Das Werk habe keinerlei monetären, sondern nur ideellen Wert. Es soll nun an die Erben nach Leopold Glaser übergeben werden. Der Kultusrat stimmte dem einstimmig zu.

Bericht des Präsidenten

Präsident Deutsch berichtete über ein Zusammentreffen mit Christoph Bazil, dem Präsidenten des Bundesdenkmalamtes. Hier gebe es immer wieder gemeinsame Themen, aktuell einerseits die Renovierung des Stadttempels, der unter Denkmalschutz stehe, andererseits die Unter-Schutz-Stellung eines Areals in Hainburg, wo sich die Überreste des vermutlich ältesten jüdischen Friedhofs in Österreich befinden. Dokumente weisen auf eine Belegung bis etwa ins Jahr 1420 hin. Über die Jahrhunderte wurde die Fläche allerdings u.a. für Landwirtschaft oder als Exerzierplatz genutzt. Nun soll dort von einem privaten Bauträger ein Campus errichtet werden. Die IKG bemüht sich, dies zu verhindern. Problematisch sei allerdings, dass nach so vielen Jahrhunderten kaum mehr Reste des Friedhofs zu finden seien, erklärte Nägele. Deutsch verwies jedoch auf eine ähnliche Situation in Innsbruck, wo dennoch eine Unter-Schutz-Stellung eines dortigen Friedhofsareals erwirkt werden konnte.

ORF III möchte anlässlich der Restaurierung des Stadttempels eine Dokumentation über die Synagoge in der Seitenstettengasse drehen. Begleitet werden sollen dabei auch die nun startenden Bauarbeiten. Dazu gab es ein Gespräch mit ORF III-Geschäftsführer Peter Schöber. Gefilmt wird erstmals diese Woche bei den Purim-Feierlichkeiten.

Erfreut zeigte sich Deutsch, dass nach der Zusage der Stadt Wien, die Restaurierung des Stadttempels zu einem Drittel zu finanzieren, nun auch der Bund seine diesbezügliche Absicht im Regierungsprogramm bekundet habe. An Spenden habe die Fundraisingabteilung durch enorme Kraftanstrengung seit vergangenem Oktober bereits rund 1 Millionen Euro verbuchen können. Deutsch kündigte zudem an, dass die Erlöse der diesjährigen Chanukka-Gala ebenfalls der Finanzierung des Bauvorhabens zugute kommen sollen.

IKG-Vizepräsident Michael Galibov kündigte für 7. April einen Besuch von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig bei Jachad im Sefardischen Zentrum an. Das Programm dafür werde noch ausgearbeitet, alle Kultusvorstände seien eingeladen.

Am Ende der Kultusvorstandsitzung präsentierten Deutsch und Nägele den Mandataren zwei Wandtafeln in Form von großen „Bring them home“-Hundemarken. Der Dachverband der argentinischen jüdischen Gemeinden sowie der argentinischen jüdischen Sportverbände möchte damit weltweit auf das Schicksal der noch immer in Gaza festgehaltenen Geiseln aufmerksam machen. Die beiden Tafeln sollen einerseits in der Seitenstettengasse, andererseits in der Hakoah angebracht werden. Die Mandatare zeigten sich damit einverstanden. Ob die Tafel im oder am Gebäude montiert wird, wird mit Hinblick auf das Thema Sicherheit noch überlegt.