Delegierter trotz antisemitischer Schriften

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Drinnen oder draußen? Diese Frage wird sich für zwei AfD-Mitglieder beim Bundesparteitag Ende April in Köln auf spezielle Weise stellen. Das eine Mitglied ist Björn Höcke. Er soll raus aus der Partei. Das Ausschlussverfahren gegen Höcke wurde unlängst offiziell eingeleitet. Aber die Thüringer AfD hält an ihrem Landes- und Fraktionschef fest und will ihn reinschicken. Und zwar in den Kölner Parteitagssaal: Mit 91 Prozent wurde Höcke kürzlich auf einem Landesparteitag zum Delegierten gewählt. Doch das Hotel, in dem der Bundesparteitag stattfindet, hat Höcke wegen dessen Dresdner Rede zur Erinnerungskultur Hausverbot erteilt. Wahrscheinlich also muss er draußen bleiben.

Hineinkommen aber dürfte Wolfgang Gedeon. Denn gegen den baden-württembergischen Landtagsabgeordneten hat das Hotel bislang kein Hausverbot erlassen, und Gedeon ist ebenfalls Delegierter. Das schreibt er auf seiner Internetseite: "Dr. Wolfgang Gedeon nimmt am Bundesparteitag der AfD in Köln am 22. und 23. April 2017 als Delegierter teil." Im Auftrag des AfD-Kreisverbands Konstanz. Im Südwesten werden die Delegierten für  undesparteitage nicht von Landesparteitagen bestimmt, sondern von den Kreisverbänden, dem Konstanzer in Gedeons Fall. Auf Anfrage der "Welt" teilte der Kreisverband mit, man habe die  arteitagsdelegierten, darunter Gedeon, im März 2015 für zwei Jahre gewählt, und bis zu deren Neuwahl blieben sie im Amt. Deshalb kann der Politiker nach Köln fahren.

Dabei war er im Juli 2016 als Konstanzer Kreisvorsitzender abgewählt worden. Und wegen von ihm verfasster antisemitischer Schriften wurde auch ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet. Die AfD-Landtagsfraktion

hat Gedeon deswegen verlassen. Aber Parteimitglied ist er geblieben. Und Delegierter. Vielleicht trifft er in Köln an der Tür auf Höcke. Sie könnten über Gedeons Schriften reden, von denen eine Anfang 2015 ein Lob des Thüringer AfDPolitikers auf Facebook bekommen hatte. Mittlerweile hat Gedeon neuen Lesestoff verfasst. Auch der dürfte Höcke interessieren: "Die AfD: eine große, eine kleine oder gar keine Alternative?",heißt der Text, den Gedeon als "Strategiepapier als Ergänzung zum Wahlprogramm" geschrieben hat.

Darin nennt Gedeon die Ausschlussverfahren gegen sich und Höcke "hanebüchen". Parteichefin Frauke Petry greift er als prominenteste Gegnerin der AfD-Rechtsaußen an: "Gewisse Leute um Petry verwechseln die Partei mit der Inquisition", schreibt Gedeon. Er wirft Petry die vielen Parteiausschlussverfahren (PAV) vor und spielt auf die Tränen an, die der Bundesvorsitzenden am 26. März auf einem sächsischen AfD-Landesparteitag kamen. "Kein Wunder, dass man sich bei so vielen PAV-Anträgen erschöpft und irgendwann fürchterlich in Tränen ausbricht!"

Gedeon fordert, dass sich die AfD "am Wohl des ganzen Volkes orientiert". Um das es aber schlecht bestellt sei: "Die politische Klasse" wolle einen "Welteinheitsstaat nach amerikanisch-westlichem Zuschnitt" herstellen und bedürfe "einer neuen Bevölkerung in Europa, die man sich durch eine mit humanitärer Phraseologie verbrämte Migrationspolitik aus außereuropäischen Kulturkreisen zusammensammelt". Linke Antirassisten, schreibt Gedeon, "frönen einem Rassenvermischungswahn, der die globale Abschaffung ethnokultureller Verschiedenheit und eine neue Welteinheitsrasse zum Ziel" habe. Beim Kampf gegen Antisemitismus werde "antideutsche Hetze" betrieben. Jedenfalls diese These dürfte bei Höcke-Anhängern auf offene Ohren stoßen.

Quelle: Von Matthias Kamann  WELT