Von 1. Jänner bis 30. Juni 2024 erfasste die Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) insgesamt 808 antisemitische Vorfälle in Österreich. Dies entspricht einer Zunahme um 159,8 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023. „Dabei handelt es sich ausschließlich um gemeldete Vorfälle, die von unseren Expertinnen und Experten als eindeutig antisemitisch verifiziert werden konnten“, sagt Benjamin Nägele, IKG-Generalsekretär und Leiter der Meldestelle. Es sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
Die häufigste Erscheinungsform im ersten Halbjahr war der israelbezogene Antisemitismus, gefolgt von Shoah-Relativierung bzw. -Leugnung. „Auch 2024 waren Jüdinnen und Juden einem seit dem 7. Oktober 2023 enthemmten Antisemitismus ausgesetzt“, führt Nägele aus. So stieg die Zahl physischer Übergriffe von sechs im ersten Halbjahr 2023 auf nun 16. Von vier auf 22 stieg die Zahl der Bedrohungen. 92 antisemitische Sachbeschädigungen bedeuten eine Verdoppelung im Vorjahresvergleich. Bei den Massenzuschriften stieg die Zahl von 77 auf 401 und bei verletzendem Verhalten von 179 auf 277. Nägele: „Die jüdischen Gemeinden sind täglich mit dieser Bedrohungslage konfrontiert. Sie prägt unseren Alltag.“
IKG-Präsident Oskar Deutsch warnt vor einem Gewöhnungseffekt: „Leider ist die Lage weiterhin bedrohlich und ununterbrochen bedrückend. Was nicht geschehen darf, ist, dass man sich an den grassierenden Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen gewöhnt.“ Dazu gehöre auch, dass sich politisch motivierte Akteure nicht nur mit dem Hass der anderen beschäftigen, sondern im eigenen weltanschaulichen Lager aktiv werden und Verantwortung übernehmen.
255 der gemeldeten antisemitischen Vorfälle waren Personen oder Organisationen zuzurechnen, die weltanschaulich oder religiös dem Islam zuzuordnen sind. 225 waren politisch links motiviert und 116 politisch rechts. 212 antisemitische Vorfälle konnten nicht eindeutig kategorisiert werden.
Hinweis: Antisemitische Vorfälle im Rahmen einer Demonstration oder in einem Online-Thread werden zwar separat bearbeitet, aber statistisch als ein einzelner Vorfall gewertet.