JMF: Christian Ortner: Europa hat Israel den Holocaust eben noch immer nicht verziehen (Die Presse)

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Muslimische Demonstranten verbrennen in Berlin, Wien und anderen Städten israelische Flaggen und wünschen Juden den Tod. Eine Woge des antisemitischen Hasses schwappt durch Europa – und was ist größte Sorge von Federica Mogherini, der „Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik“, und zahlloser anderer höchster Würdenträger in den europäischen Staatskanzleien? Dass Donald Trump Israels Hauptstadt eine Hauptstadt nennt.

Ein hierzulande eher unbekannter republikanischer US-Politiker namens Joshua Sharf hat das Absurde daran auf den Punkt gebracht: „In Syrien herrscht Bürgerkrieg, im Irak herrscht Bürgerkrieg. Der Libanon fällt der Hisbollah zum Opfer, im Jemen ist Bürgerkrieg. IS-Terror in Ägypten, die Hamas schießt Raketen auf Israel. Die Palästinenser zahlen für Morde an Juden. Libyen schlachtet Sklaven aus Nigeria. Der Iran arbeitet eifrig an Atomwaffen und Raketen. Aber, indem er Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennt, setzt Donald Trump den Nahen Osten in Flammen. Haben wir das so richtig verstanden?“


Besser kann man die groteske Schieflage der politischen wie medialen Reaktionen der meisten Europäer, seien es Spitzenpolitiker, Intellektuelle oder Publizisten, auf die Anerkennung der Realität durch den US-Präsidenten kaum beschreiben.


Nun wird es weder die US-Regierung noch jene in Jerusalem auch nur im Geringsten beeindrucken, wenn dieser Tage der französische Präsident oder der deutsche Außenminister vom US-Präsidenten fordern, er möge sich das doch noch einmal überlegen. Emmanuel Macron und Sigmar Gabriel finden sich damit plötzlich im Bett mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, dem türkischen Despoten Recep Tayyip Erdogan˘ und Irans oberstem Ayatollah Ali Khamenei. Viel Spaß.


Besonders befremdlich mutet in diesem Zusammenhang jene Position der Äquidistanz oder Neutralität an, die Europa – sei es als Union, sei es als Einzel- staat – im Konflikt zwischen den Palästinensern und Israel seit Langem bezogen hat und die in diesen Tagen wieder gut sichtbar wird.


Denn immerhin haben wir es hier mit einem Konflikt zwischen einem demokratischen Rechtsstaat, der dieselben Werte wie Europa teilt, und einem „Palästinenserstaat“, dessen Bevölkerung und politische Klasse diese Werte zum größten Teil verachten, zu tun. Und, sollte es je ein eigener Staat werden, wird dieser eher ein islamistisches Unrechtsgebilde werden denn eine WestminsterDemokratie mit Schwulenehe, Frauenrechten und Glaubensfreiheit. In einem derartigen Konflikt neutral zu sein ist eine mögliche Haltung, aber keine, auf die man sonderlich stolz sein kann.


Gerade angesichts des leider immer wahrscheinlicher werdenden neuen Krieges der vom Iran mit Tausenden Raketen hochgerüsteten Hisbollah gegen den Judenstaat wäre es wünschenswert, dass Europa klar Stellung bezieht, und zwar an der Seite Israels, anstatt gegen Trump zu maulen, der das wenigstens zu einem gewissen Grad tut.


Dass Europa und besonders Deutschland dazu keine Anstalten macht, dürfte nicht zuletzt einem Phänomen geschuldet sein, das der israelische Psychiater Zvi Rex in den Satz „Die Deutschen werden Israel Auschwitz nie verzeihen“gegossen hat. „Deutschlands Botschaft gehört nach Jerusalem“, forderte am Donnerstag der deutsche Publizist Alan Posener in der „Welt“. Man kann das auch für Österreich so sehen.


Es ist eine merkwürdige Pointe der Geschichte, dass ausgerechnet der FPÖChef H.-C. Strache erkannt hat, dass Trumps Position so falsch nicht ist, und deshalb der EU anempfohlen hat, Botschaften nach Jerusalem zu verlegen, statt darüber zu raunzen. Aber bloß weil Strache 2x2 für 4 hält, muss das ja nicht falsch gerechnet sein.
VON CHRISTIAN ORTNER


Quelle: Die Presse:
https://diepresse.com/home/meinung/quergeschrieben/christianortner/5338624/Quergeschrieben_Europa-hat-Israel-den-Holocaust-eben-noch-immer




  • Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.