Durch die Blume
Als der Komponist Richard Rodgers und der Liedtexter Oscar Hammerstein 1959 am Broadway das Musical «The Sound of Music» über das Drama der Trapp-Familie lancierten, pflanzten sie der Menschheit mit «Edelweiss» einen etwas kitschigen Ohrwurm in die Gehörgänge. «Edelweiss» wird seither vom amerikanischen und neuerdings auch vom chi-nesischen Publikum für die österreichische Nationalhymne gehalten. Wenn es doch wirklich so wäre. Das eher fade «Land der Berge, Land am Strome», die österreichische «Bundeshymne» (im Gegensatz zu den Hymnen der einzelnen Bundesländer) von 1946 – Text von Paula Preradović – war nie wirklich ein Hit und hat wohl kaum Chancen, es jemals zu werden. Und der Text der inoffiziellen österreichischen Nationalhymne «Edelweiss» könnte patriotischer kaum sein: «Bless my homeland forever» – «Segne meine Heimat für immer».
Nachdem die Kurz-ÖVP wie ein politisches Chamäleon ihre Farbe vom düsteren Schwarz aufs deutlich sympathischere Türkis gewechselt hat, was Verjüngung signalisiert, lässt sich auch der künftige Koalitionspartner FPÖ, die rechtspopulistischen Freiheitlichen, nicht lumpen. Er hat sein botanisches Emblem ausgetauscht – von der blauen Kornblume zum Edelweiss. Blumen haben in der Politik seit langem symbolische Bedeutung: Die rote Rose wurde im Nachkriegseuropa zur Blume des Sozialismus und der Sozialdemokratie, rote Nelken waren in der französischen Revolution ein Symbol des Widerstandes der Adligen, die durch die Guillotine hingerichtet wurden, und als «Nelkenrevolution» ging der linksgerichtete Militärputsch vom 25. April 1974 gegen die autoritäre Diktatur in die jüngere Geschichte Portugals- ein, und in England dient die künstliche Mohnblume als Anstecknadel («Remembrance Poppy») dem Gedenken gefallener Soldaten der beiden Weltkriege.
Während die Neos Kakteen mit pinken Blüten auf ihre Pulte im Nationalrat stellen und die SPÖ zu den roten Nelken zurückkehren, verzichtet die FPÖ (wohl als Zeichen ihrer politischen Läuterung) nunmehr auf die blaue Kornblume und heftet- sich ein Edelweiss mit patriotischer rot‑weiss‑roter Schleife ans Revers – Symbol für «Mut, Tapferkeit und Liebe», wie uns Heinz-Christian- Strache erklärt. Die Kornblume war Bismarcks- Lieblingsblume, sie war das Symbol des Führers der Deutschnationalen und später der Alldeutschen Vereinigung des glühenden Anti-semiten Georg Heinrich Ritter von Schönerer und der illegalen Nazis der Zwischenkriegszeit. Also ziemlich belastet, diese «blaue Blume», das Sehnsuchtssymbol der deutschen Romantik.
Das Edelweiss, Leontopodium nivale, als alpines Symbol, welches die Zwei-Cent-Münze ziert, auch in der Schweiz beliebt, hat allerdings auch eine historisch-politische Konnota-tion. Und diese ist keineswegs weniger ambivalent als jene der Kornblume: Das Edelweiss war die Lieblingsblume auch von Adolf Hitler – und sowohl das Erkennungszeichen des Kampfgeschwaders 51 der Luftwaffe als auch jenes der 1. Gebirgs-Division der Wehrmacht, einer Elitetruppe, be-kannt auch als «Edelweiss-Division», die Adolf Hitler als seine «Garde-Division» bezeichnet hatte. Sie war an einer Anzahl Kriegsverbrechen be-teiligt, namentlich am Massaker auf der griechischen Insel Kefalonia 1943. Als «small and white, clean and bright» wird die kostbare Alpenblume im Musical-Song charakterisiert – als Em-blem von Hitlers mörderischer Garde-Division hat die kleine Blume allerdings längst ihre Unschuld verloren. Ob sich die FPÖ, die kürzlich der Gedenkrede des noch amtierenden Bundeskanzlers zum Novemberpogrom (Reichskristallnacht) den Beifall verweigert hat, dessen bewusst ist?
Eher bewusst dürfte ihr sein, dass sich in ihren Reihen immer wieder gespenstisch (oder fast mechanisch,- wie bei «Dr. Strangelove» im gleichnamigen Film, verkörpert durch Peter Sellers) der Arm gewisser Figuren zum Hitlergruss reckt – was in Österreich unter dem Begriff «Wiederbe-tätigung» läuft, unter das «Verbotsgesetz» von 1947 fällt und strafrechtlich verfolgt werden kann, was allerdings in der Praxis selten geschieht. Immerhin hat die FPÖ jetzt einen Abgeordneten in den Bundesrat (Länderkammer, vergleichbar mit unserem Ständerat), den Bezirksobmann Andreas Bors aus Tulln an der Donau, geschickt, der mit einem- Hitlergruss auf einem – im Internet einsehbaren Foto im Kreise seiner ebenfalls hitlergrüs-senden Gesinnungsfreunde – für Aufregung ge-sorgt hatte. Der 28-jährige Bors, ausserdem der jüngste Bundesrat Österreichs, gibt an, damals sei er erst 17 und alkoholisiert gewesen, ausserdem sei dies damals nicht wirklich ein Hitlergruss gewesen. Die FPÖ hatte seinerzeit den Mann, dessen Tat ohnehin verjährt war, rehabilitiert und schickte jetzt den «talentierten und hoch motivierten jungen Mann» in den Bundesrat.
Eher skurril war ein Vorfall in Schloss Mondsee, wo es nicht um einen Jüngling, sondern um einen eher betagten Mann ging, der als Amateur-Radmarathon-Teilnehmer bei der «Austria Top Tour 2017» seinerseits die Hand zum Hitlergruss hob. Der Mondseer Bürgermeister Karl Feurhuber (ÖVP) zeigte ihn richtigerweise bei der Staats-anwaltschaft an. Der Mann sagte zu seiner Entschuldigung, seine Geste sei lediglich «Ausdruck des Triumphes» über ein körperliches Manko gewesen und keine politische Manifestation. Auf seiner- Website war allerdings eine Vielzahl derartiger Triumphgesten zu sehen.
Ernster als derartige «Ausrutscher» des rechten Armes ist allerdings die Zusammensetzung der Freiheitlichen, die gegenwärtig mit dem ÖVP-Jungstar Sebastian Kurz die künftige österreichische Regierungskoalition verhandeln. Knapp jeder zweite Unterhändler des FPÖ-Verhandlungs- teams gehört einer deutschnationalen Studentenverbindung oder Burschenschaft an – im Fall einer gewissen Anneliese Kitzmüller, einer «Mädelschaft»: 34 von insgesamt 71 Personen. Fast die Hälfte der Abgeordneten der voraussichtlichen Regierungspartei FPÖ , die sich jetzt im Nationalrat tummeln, sowie zahlreiche freiheitliche Entscheidungsträger und Mitarbeiter huldigen einer «ewiggestrigen», extrem rechtsgerichteten deutschnationalen Gesinnung und, abgesehen von gelegentlichen Ausrutschern des rechten Armes- zu Hitlergruss-Farcen, sind aus diesen Kreisen-, immer wieder verbale «Ausrutscher» antisemitischen Inhalts zu vernehmen.
Was Österreich jetzt, mit der Neuauflage einer Mitte-Rechts-Koalition, erwartet, ist noch alles andere als klar. Die allgemeine Tendenz ist erstaunlich optimistisch: Kluge Kommentatoren, welche in der Ära Schüssel-Haider in ihren Zeitungen über das Schwarz-blaue Regierungs-bündnis prononciert kritisch bis ablehnend geschrieben haben, sehen im neuen Zusammen- schluss zwischen der «neuen» Volkspartei von Sebastian- Kurz und der (scheinbar?) geläuterten FPÖ eine durchaus reelle Chance auf Dynamik und Erneuerung. «Also wann, wenn nicht jetzt, soll sich dieses Land mit einer grundlegenden Neuordnung von Staat und Verwaltung auseinandersetzen?», kommentiert beispielsweise der von mir sehr geschätzte Andreas Koller in den «Salzburger Nachrichten». Die Tatsache, «dass dieses Land eine Totalreform- seiner Strukturen braucht» sei «unbestritten».
Charles E. Ritterband, 24. November 2017
Charles E. Ritterband ist langjähriger Auslandskorrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung» in Jerusalem, Washington, London, Buenos Aires und Wien
Artikel Quelle: https://www.tachles.ch/durch-die-blume
Bild Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheitliche_Partei_%C3%96sterreichs
Als der Komponist Richard Rodgers und der Liedtexter Oscar Hammerstein 1959 am Broadway das Musical «The Sound of Music» über das Drama der Trapp-Familie lancierten, pflanzten sie der Menschheit mit «Edelweiss» einen etwas kitschigen Ohrwurm in die Gehörgänge. «Edelweiss» wird seither vom amerikanischen und neuerdings auch vom chi-nesischen Publikum für die österreichische Nationalhymne gehalten. Wenn es doch wirklich so wäre. Das eher fade «Land der Berge, Land am Strome», die österreichische «Bundeshymne» (im Gegensatz zu den Hymnen der einzelnen Bundesländer) von 1946 – Text von Paula Preradović – war nie wirklich ein Hit und hat wohl kaum Chancen, es jemals zu werden. Und der Text der inoffiziellen österreichischen Nationalhymne «Edelweiss» könnte patriotischer kaum sein: «Bless my homeland forever» – «Segne meine Heimat für immer».
Nachdem die Kurz-ÖVP wie ein politisches Chamäleon ihre Farbe vom düsteren Schwarz aufs deutlich sympathischere Türkis gewechselt hat, was Verjüngung signalisiert, lässt sich auch der künftige Koalitionspartner FPÖ, die rechtspopulistischen Freiheitlichen, nicht lumpen. Er hat sein botanisches Emblem ausgetauscht – von der blauen Kornblume zum Edelweiss. Blumen haben in der Politik seit langem symbolische Bedeutung: Die rote Rose wurde im Nachkriegseuropa zur Blume des Sozialismus und der Sozialdemokratie, rote Nelken waren in der französischen Revolution ein Symbol des Widerstandes der Adligen, die durch die Guillotine hingerichtet wurden, und als «Nelkenrevolution» ging der linksgerichtete Militärputsch vom 25. April 1974 gegen die autoritäre Diktatur in die jüngere Geschichte Portugals- ein, und in England dient die künstliche Mohnblume als Anstecknadel («Remembrance Poppy») dem Gedenken gefallener Soldaten der beiden Weltkriege.
Während die Neos Kakteen mit pinken Blüten auf ihre Pulte im Nationalrat stellen und die SPÖ zu den roten Nelken zurückkehren, verzichtet die FPÖ (wohl als Zeichen ihrer politischen Läuterung) nunmehr auf die blaue Kornblume und heftet- sich ein Edelweiss mit patriotischer rot‑weiss‑roter Schleife ans Revers – Symbol für «Mut, Tapferkeit und Liebe», wie uns Heinz-Christian- Strache erklärt. Die Kornblume war Bismarcks- Lieblingsblume, sie war das Symbol des Führers der Deutschnationalen und später der Alldeutschen Vereinigung des glühenden Anti-semiten Georg Heinrich Ritter von Schönerer und der illegalen Nazis der Zwischenkriegszeit. Also ziemlich belastet, diese «blaue Blume», das Sehnsuchtssymbol der deutschen Romantik.
Das Edelweiss, Leontopodium nivale, als alpines Symbol, welches die Zwei-Cent-Münze ziert, auch in der Schweiz beliebt, hat allerdings auch eine historisch-politische Konnota-tion. Und diese ist keineswegs weniger ambivalent als jene der Kornblume: Das Edelweiss war die Lieblingsblume auch von Adolf Hitler – und sowohl das Erkennungszeichen des Kampfgeschwaders 51 der Luftwaffe als auch jenes der 1. Gebirgs-Division der Wehrmacht, einer Elitetruppe, be-kannt auch als «Edelweiss-Division», die Adolf Hitler als seine «Garde-Division» bezeichnet hatte. Sie war an einer Anzahl Kriegsverbrechen be-teiligt, namentlich am Massaker auf der griechischen Insel Kefalonia 1943. Als «small and white, clean and bright» wird die kostbare Alpenblume im Musical-Song charakterisiert – als Em-blem von Hitlers mörderischer Garde-Division hat die kleine Blume allerdings längst ihre Unschuld verloren. Ob sich die FPÖ, die kürzlich der Gedenkrede des noch amtierenden Bundeskanzlers zum Novemberpogrom (Reichskristallnacht) den Beifall verweigert hat, dessen bewusst ist?
Eher bewusst dürfte ihr sein, dass sich in ihren Reihen immer wieder gespenstisch (oder fast mechanisch,- wie bei «Dr. Strangelove» im gleichnamigen Film, verkörpert durch Peter Sellers) der Arm gewisser Figuren zum Hitlergruss reckt – was in Österreich unter dem Begriff «Wiederbe-tätigung» läuft, unter das «Verbotsgesetz» von 1947 fällt und strafrechtlich verfolgt werden kann, was allerdings in der Praxis selten geschieht. Immerhin hat die FPÖ jetzt einen Abgeordneten in den Bundesrat (Länderkammer, vergleichbar mit unserem Ständerat), den Bezirksobmann Andreas Bors aus Tulln an der Donau, geschickt, der mit einem- Hitlergruss auf einem – im Internet einsehbaren Foto im Kreise seiner ebenfalls hitlergrüs-senden Gesinnungsfreunde – für Aufregung ge-sorgt hatte. Der 28-jährige Bors, ausserdem der jüngste Bundesrat Österreichs, gibt an, damals sei er erst 17 und alkoholisiert gewesen, ausserdem sei dies damals nicht wirklich ein Hitlergruss gewesen. Die FPÖ hatte seinerzeit den Mann, dessen Tat ohnehin verjährt war, rehabilitiert und schickte jetzt den «talentierten und hoch motivierten jungen Mann» in den Bundesrat.
Eher skurril war ein Vorfall in Schloss Mondsee, wo es nicht um einen Jüngling, sondern um einen eher betagten Mann ging, der als Amateur-Radmarathon-Teilnehmer bei der «Austria Top Tour 2017» seinerseits die Hand zum Hitlergruss hob. Der Mondseer Bürgermeister Karl Feurhuber (ÖVP) zeigte ihn richtigerweise bei der Staats-anwaltschaft an. Der Mann sagte zu seiner Entschuldigung, seine Geste sei lediglich «Ausdruck des Triumphes» über ein körperliches Manko gewesen und keine politische Manifestation. Auf seiner- Website war allerdings eine Vielzahl derartiger Triumphgesten zu sehen.
Ernster als derartige «Ausrutscher» des rechten Armes ist allerdings die Zusammensetzung der Freiheitlichen, die gegenwärtig mit dem ÖVP-Jungstar Sebastian Kurz die künftige österreichische Regierungskoalition verhandeln. Knapp jeder zweite Unterhändler des FPÖ-Verhandlungs- teams gehört einer deutschnationalen Studentenverbindung oder Burschenschaft an – im Fall einer gewissen Anneliese Kitzmüller, einer «Mädelschaft»: 34 von insgesamt 71 Personen. Fast die Hälfte der Abgeordneten der voraussichtlichen Regierungspartei FPÖ , die sich jetzt im Nationalrat tummeln, sowie zahlreiche freiheitliche Entscheidungsträger und Mitarbeiter huldigen einer «ewiggestrigen», extrem rechtsgerichteten deutschnationalen Gesinnung und, abgesehen von gelegentlichen Ausrutschern des rechten Armes- zu Hitlergruss-Farcen, sind aus diesen Kreisen-, immer wieder verbale «Ausrutscher» antisemitischen Inhalts zu vernehmen.
Was Österreich jetzt, mit der Neuauflage einer Mitte-Rechts-Koalition, erwartet, ist noch alles andere als klar. Die allgemeine Tendenz ist erstaunlich optimistisch: Kluge Kommentatoren, welche in der Ära Schüssel-Haider in ihren Zeitungen über das Schwarz-blaue Regierungs-bündnis prononciert kritisch bis ablehnend geschrieben haben, sehen im neuen Zusammen- schluss zwischen der «neuen» Volkspartei von Sebastian- Kurz und der (scheinbar?) geläuterten FPÖ eine durchaus reelle Chance auf Dynamik und Erneuerung. «Also wann, wenn nicht jetzt, soll sich dieses Land mit einer grundlegenden Neuordnung von Staat und Verwaltung auseinandersetzen?», kommentiert beispielsweise der von mir sehr geschätzte Andreas Koller in den «Salzburger Nachrichten». Die Tatsache, «dass dieses Land eine Totalreform- seiner Strukturen braucht» sei «unbestritten».
Charles E. Ritterband, 24. November 2017
Charles E. Ritterband ist langjähriger Auslandskorrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung» in Jerusalem, Washington, London, Buenos Aires und Wien
Artikel Quelle: https://www.tachles.ch/durch-die-blume
Bild Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheitliche_Partei_%C3%96sterreichs