Kultusgemeinde einstimmig: Nein zur FPÖ

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Das höchste Gremium der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, der Kultusvorstand, bekräftigte in der Sitzung vom 17. April 2023 angesichts der ÖVP-Koalition mit der FPÖ in Niederösterreich den Cordon Sanitaire gegenüber der FPÖ einstimmig:

„Die IKG unterhält weiterhin keine politischen Kontakte zu Vertretern der FPÖ, auch nicht zu Mitgliedern von Landesregierungen, die dieser Partei angehören. Gespräche mit Behörden, die unter der Verantwortung von FPÖ-Vertretern stehen, werden nur im Anlassfall und nur auf Beamtenebene geführt.“

Antragsbegründung:

Im März 2023 haben ÖVP und FPÖ in Niederösterreich eine Koalition gebildet. Damit hat eine rechtsextreme Landespartei führende politische Verantwortung im größten Bundesland Österreichs erhalten.

Gemäß den Kultusvorstandsbeschlüssen vom 9. Jänner 2018 und vom 17. Februar 2000 unterhält die IKG keine Beziehungen zur FPÖ, auch nicht zu Vertretern der FPÖ, die einer Bundes- oder Landesregierung angehören. Diese Kultusvorstandsbeschlüsse sind unverändert gültig. Aufgrund der nunmehrigen politischen Situation in Niederösterreich präzisiert der im Dezember 2022 gewählte Kultusvorstand der IKG, dessen Sprengel die Bundesländer Wien, Niederösterreich, Burgenland, Steiermark und Kärnten umfasst, den „Cordon Sanitaire“ zur Freiheitlichen Partei (FPÖ).

Seit dem Jahr 2000 durchlief die FPÖ mehrere Machtwechsel. Während der liberale Flügel geschwächt wurde, wurde der Einfluss deutschnationaler Burschenschaften gestärkt. Die niederösterreichische FPÖ zeichnet sich durch eine besonders große Affinität zu Neonazis, Antisemiten, Shoah-Leugnern und Rassisten aus.

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Bildquelle: DÖW

So warb der Landesparteivorsitzende und nunmehrige Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer, im Jahr 2010 für ein Liederbuch des Vereins „Junge Patrioten“. Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) beschreibt diesen Verein als „rechtsextrem“ mit einer „völkisch-fundamentalistischen Orientierung“. Im Buch, für das Landbauer um Spenden warb, befinden sich mehrere Lieder aus der Zeit des Nationalsozialismus, unter anderem das Bundeslied der NS-Organisation „Bund Deutscher Mädel“ (BDM).

Landbauer selbst war bis zum Jahr 2018 stellvertretender Vorsitzender der deutschnationalen Burschenschaft „Germania zu Wr. Neustadt“. In den Räumlichkeiten dieser Burschenschaft fand die Polizei bei einer Hausdurchsuchung Liederbücher mit antisemitischen Vernichtungsphantasien („Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“).

Im Jahr 2018 wurde Martin Huber Klubobmann der FPÖ im niederösterreichischen Landtag. Nach einer Hitler-Huldigung auf Facebook am 20. April wurde Huber im Jahr 2019 suspendiert und im Jahr 2020 nach dem NS-Verbotsgesetz verurteilt. Der Ausschluss aus der FPÖ wurde angekündigt; ob es einen solchen Beschluss gab, ist nicht bekannt.

Rassistisch und antisemitisch trat auch der Zweite Landtagspräsident, Gottfried Waldhäusl in Erscheinung. Als Landesrat wollte er 2018 eine Registrierungspflicht für Abnehmer von koscherem Fleisch einführen. Auch der FPÖ-Vorsitzende Landbauer machte sich für ein generelles Verbot der Fleischproduktion mittels Schechita stark.

Unter den niederösterreichischen FPÖ-Landtagsabgeordneten finden sich Mandatare, die Mitglieder rechtsextremer Facebook-Gruppen sind, in denen die Shoah verharmlost oder gar geleugnet wurde, z.B. Edith Mühlberghuber und Peter Gerstner in der Gruppe „Deutsches Reich“.

Fotos, die im Jahr 2014 veröffentlicht wurden, zeigen Landtagsabgeordneten Andreas Bors mit einem Hitlergruß. Ein weiterer einschlägig bekannter FPÖ-Landtagsabgeordneter ist Hubert Keyl, ein Vertrauter des amtsbekannten Neonazis Gottfried Küssel.

Küssel, Keyl und der nunmehrige FPÖ-Klubobmann Reinhard Teufel wurden gemeinsam bei Burschenschafts-Aktivitäten gesehen, etwa bei einer Feierlichkeit in Wien im Jahr 2010.

Ein weiterer FPÖ-Landtagsabgeordneter, der ehemaligen Nationalsozialisten huldigt, ist Dieter Dorner. Dieser nahm wiederholt bei den Gedenkveranstaltungen am Grab des NS-Piloten Walter Nowotny am Wiener Zentralfriedhof teil. An diesem jährlichen Gedenken nehmen regelmäßig Neonazis, Rechtsextreme und FPÖ-Politiker teil. Dieter Dorners Wahlkampfmanager war Markus Ripfl, der wegen seiner Vorliebe für die Neonazi-Band „Division Germania“ im Jahr 2018 aus der FPÖ ausgeschlossen wurde.

Erwähnt sei auch der menschenverachtende Rassismus der FPÖ-Niederösterreich. So etwa sprach sich FPÖ-Obmann Landbauer gegen Hilfszahlungen für Erdbeben-Opfer in der Türkei (im Jahr 2023) aus. Er bezeichnete die Zuwendung aus dem Auslandskatastrophenfonds als „Millionengeschenk an das Ausland“.