Von ZVI GABAY
Der Geschichte und der Erziehung zukünftiger Generationen zuliebe sollte es in Israel ein angemessenes Gedenken an die Not und das Erbe von Juden aus arabischen Ländern geben.
Zu Shavuot gedenken irakische Juden dem 77. Jahrestag des Farhud – des grausamen und blutigen Pogroms – zu dem es an Shavuot (am 1. und 2. Juni 1941) gegen die jüdische Gemeinschaft im Irak kam. Bei den Ausschreitungen, die an die Reichskristallnacht in Deutschland (9.-10. November 1938) erinnerten, wurden 179 Juden ermordet, Hunderte weitere verwundet und viel jüdisches Eigentum geplündert.
Die Erinnerung an das Pogrom ist in den Köpfen der irakischen Juden in Israel und im Ausland noch frisch. In diesem Jahr findet die Gedenkfeier für die Opfer am 12. Juni im Babylonischen Jüdischen Zentrum in Or Yehuda statt.
Ähnliche Angriffe ereigneten sich gegen fast alle in den arabischen Ländern lebenden Juden.
Seitens dieser Juden, die seit Tausenden von Jahren in diesen Ländern gelebt hatten, wurde den Gastgeberländern niemals der Krieg erklärt. Sie kämpften nie gegen das Land, wie die Araber im Mandatsgebiet Palästina gegen die Juden und später gegen den aufkeimenden jüdischen Staat Israel gekämpft hatten. Die Welt hörte bislang schon viel von der „Nakba“, der „Katastrophe“ der palästinensischen Araber, weiß aber fast nichts über das Unrecht, das den Juden in den arabischen Ländern angetan wurde. Was im Irak und in den übrigen arabischen Ländern passierte, war in Wirklichkeit eine ethnische Säuberung. Juden wurden gezwungen, ihr persönliches und gemeinschaftliches Eigentum zurückzulassen, einschließlich Schulen, Krankenhäuser, uralter Synagogen, Friedhöfe und Prophetengräber. Sämtliches jüdisches Eigentum wurde von den arabischen Regierungen konfisziert.
Während die Nakba jedes Jahr mit Demonstrationen und einer breiten Medienberichterstattung abgedeckt wird, kommt dem jüdischen Desaster keine öffentliche oder mediale Aufmerksamkeit zu. Und das trotz der Tatsache, dass seine menschliche und physische Dimension größer war als die der Nakba (die Zahl der aus ihren Häusern vertriebenen jüdischen Flüchtlinge betrug rund 856.000, während die Araber, die das Mandatsgebiet Palästina verlassen hatten, etwa 600.000 ausmachten).
Erst am 22. Februar 2010 wurde mit der Verabschiedung des „Gesetzes zur Bewahrung der Rechte auf Entschädigung von jüdischen Flüchtlingen aus arabischen Ländern und dem Iran“, das Thema auf die israelische Tagesordnung gesetzt. Das Gesetz besagt, dass es bei jeglichen Friedensverhandlungen im Nahen Osten auch um das Problem der Entschädigung für besagte Juden gehen muss.
Und erst vier Jahre später, im November 2014, gemäß einem von der Knesset im gleichen Jahr verabschiedeten Gesetz fand eine Gedenkzeremonie in der Residenz des Präsidenten statt, um die Existenz der Juden aus arabischen Ländern zu würdigen und deren Vertreibung zu gedenken.
Die Angriffe gegen die Juden in arabischen Ländern erfolgten bereits vor der Gründung des Staates Israel. Im Irak begannen sie mit Diskriminierungen in der Wirtschaft, in der Bildung und im öffentlichen Leben.
In der Folge entfachte der arabische Nationalismus Aufstände gegen die Juden, die im Farhud von 1941 ihren Höhepunkt erreichten. Ähnliche Tragödien passierten den Juden in Libyen, Aden und anderen arabischen Ländern. In Ägypten wurde mitten in der Nacht eine Massenvertreibung durchgeführt.
Im Irak führte die Kombination aus fremdenfeindlichem sunnitischem Nationalismus und Antisemitismus zu einem mächtigen Hass auf die Juden.
Dieser Hass wurde von Nazis wie dem deutschen Gesandten in Bagdad, Dr. Fritz Grobba, unterstützt sowie von pseudo-religiösen Führern wie Haj Amin al-Husseini, der aus dem Mandatsgebiet Palästina geflohen war und im Irak einen geeigneten Ort für seine antijüdischen Aktivitäten fand.
Die Juden hatten keine andere Wahl, als aus dem Irak und den übrigen arabischen Ländern zu fliehen, die sie mit ihren Beiträgen zur Regierung, Wirtschaft, Medizin, Bildung, Literatur, Poesie und Musik mitbegründet und in die moderne Zeit hineinbegleitet hatten.
Sieben Jahre später wurde das bedrohliche, in praktisch jedem arabischen Land herrschende antijüdische Klima, von flammenden antijüdischen Erklärungen begleitet, die im Radio und sogar vom Podium der Vereinten Nationen gesendet wurden. Belästigungen durch die Regierung und Angriffe der Bevölkerung veranlassten die Juden der arabischen Welt, massenhaft nach Israel zu ziehen.
Es gab sicherlich Muslime in den arabischen Ländern, die die Angriffe auf die Juden nicht unterstützten, aber ihre Stimmen wurden nicht gehört. Die Juden waren die Sündenböcke der internen Machtkämpfe zwischen den Sunniten und den Schiiten, so wie Israel heute im Zentrum des Kampfes zwischen dem schiitischen Iran und den sunnitischen Staaten steht.
Seit den letzten Jahren lässt sich ein Aufbruch in der arabischen Welt beobachten, besonders unter Intellektuellen, die erkennen, dass nicht nur die palästinensischen Araber eine „Nakba“ erlitten haben, sondern auch die Juden der arabischen Welt.
Der Geschichte und der Erziehung zukünftiger Generationen zuliebe sollte es in Israel ein angemessenes Gedenken an die Not und das Erbe von Juden aus arabischen Ländern geben.
Die Palästinenser täten gut daran, keine Parolen mehr über das „Rückkehrrecht“ zu nachzuplappern und damit ihre Leute zu täuschen, denn das Rad der Geschichte lässt sich nicht mehr zurückdrehen.
Der Verfasser wurde in Bagdad geboren und ist ehemaliger Botschafter und stellvertretender Generaldirektor des Außenministeriums.
Quelle: https://www.jpost.com/Opinion/The-77th-anniversary-of-the-Farhud-558100