IKG-Beschluss betreffend Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ)

Share
Ikg logo primary color positive

In seiner Sitzung am 04.11.2024 hat der Kultusvorstand der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) den Umgang mit Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) und dem „Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus“ unter seinem Vorsitz beraten und zwei Beschlüsse einstimmig gefasst:

Teil 1:

Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ)

Am 24.10.2024 wurde ein neues Nationalratspräsidium gewählt. Der von der FPÖ für das Amt des Präsidenten nominierte Walter Rosenkranz erhielt 100 von 183 möglichen Stimmen. Peter Haubner (ÖVP) erlangte als Zweiter Präsident 148 und Doris Bures als Dritte Präsidentin 131 Stimmen. Somit ist erstmals ein FPÖ-Politiker und Mitglied einer deutschnationalen, schlagenden Burschenschaft Nationalratspräsident. Seine Wahl war demokratisch und kam verfassungskonform und wird selbstverständlich anerkannt.

Zur FPÖ per se und den deutschnationalen Burschenschaften im Besonderen wird auf den einstimmigen Beschluss des Kultusvorstands vom 9.1.2018 verwiesen, der mit ebenso einstimmigen Beschlüssen am 15.3.2018, am 12.12.2018 und 17.04.2023 ergänzt wurde.

Walter Rosenkranz ist Mitglied der „Libertas“, die erste Burschenschaft, die einen „Arierparagraphen“ eingeführt hatte (1878). Diese frühe Manifestation von extremem studentischen Antisemitismus verharmloste Rosenkranz als Reaktion auf die „überdurchschnittlich vielen Juden“ in der damaligen Studentenschaft – eine Täter-Opfer-Umkehr. 

Im Jahr 2008 verlieh seine „Libertas“ dem neonazistischen Bund Freier Jugend (BFJ) den Carl-von-Hohenegg-Preis für „herausragende Taten im Sinne des national-freiheitlichen Gedankens“. Zum Zeitpunkt der Verleihung waren mehrere BFJ-Mitglieder bereits wegen NS-Wiederbetätigung vorbestraft und ein Verbotsverfahren gegen die Organisation anhängig. Bereits im Jahr 2005 stellte Prof. Dr. Heinz Mayer in einem Rechtsgutachten über Publikationen des BFJ fest, dass diese „seit Jahrzehnten massiv gegen die Bestimmungen des Verbotsgesetzes verstoßen“:

„Offenkundige und verbrämte Verherrlichung nationalsozialistischer Ideen und Maßnahmen, zynische Leugnung von nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen, eine hetzerische Sprache mit deutlich aggressivem Ton gegen Ausländer, Juden und „Volksfremde“ sowie eine Darstellung „des Deutschen“ als Opfer sind typische und stets wiederkehrende Signale.“ 

Dazu auf Puls4 im September 2022 befragt, verteidigte Rosenkranz die Preisverleihung und insbesondere die Begründung, nämlich: „Der BFJ sieht sich für seine volkstreuen Aktivitäten stärkster staatlicher Repression ausgesetzt.“

Am 24.10.2024 vom Standard erneut dazu befragt, sagte Rosenkranz, er habe „keine Entscheidungsbefugnis bei der Preisvergabe gehabt. Aber ich trage natürlich die Entscheidungen meines Vereins mit.“

Verbindungen zu den rechtsextremen Identitären sind ebenso evident wie die Beschäftigung von deklarierten Neonazis aus dem Umfeld von Gottfried Küssel, etwa als Leibwächter.

In dem 2009 vom Burschenschafter und FPÖ-Politiker Martin Graf herausgegebenen Sammelband „150 Jahre Burschenschaften in Österreich“ würdigt Walter Rosenkranz in seinem Text Burschenschafter, die Antisemiten und NS-Verbrecher waren, als „Leistungsträger“. Ein Beispiel ist der „Liberte“ Johann Stich, der bereits seit 1930 Mitglied der NSDAP war ab 1939 Generalstaatsanwalt in Wien. In dieser Funktion hat Stich mindestens 61 Todesurteile erwirkt. 

Ebenso würdigte Rosenkranz in seinem Text den Antisemiten Mirko Jelusich, der in den 1930er-Jahren Redakteur der „Deutsch-Österreichischen Tageszeitung – Hauptblatt der nationalsozialistischen-deutschen Arbeiterpartei der Hitlerbewegung“ war. Weiters huldigte Rosenkranz dem NS-„Dichter“ Hans Giebisch.

Als sein politisches Vorbild machte Walter Rosenkranz wiederholt Julius Sylvester namhaft (zuletzt in der Sendung „Hohes Haus“ im ORF am 27.10.2024), deutschnationaler Abgeordneter der Ersten Republik und glühender Antisemit und Mitglied des „Antisemitenbundes“. Rosenkranz nennt Sylvester weiterhin sein Vorbild. Er habe einen „sentimentalen“ Bezug zu ihm. Sylvesters Antisemitismus sei lediglich eine Charakterschwäche, die man ausklammern müsse.

Antrag 1:

Der Kultusvorstand möge die bestehenden Beschlüsse betreffend den Umgang mit FPÖ-Politikern bestätigen und explizit auf Nationalratspräsident Walter Rosenkranz angewendet wissen.

➜ Einstimmig angenommen


Teil 2:

Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus & Simon-Wiesenthal-Preis

Außerdem wird wegen der Funktion des Nationalratspräsidenten als Vorsitzender des Kuratoriums des Nationalfonds ausgeführt:

Der Nationalfonds ist u.a. zuständig für 

- Leistungen an Opfer des Nationalsozialismus.

- Er unterstützt die wissenschaftliche Erforschung des Nationalsozialismus und den Gedenkdienst (z.B. Yad Vashem).

- die Besorgung der administrativen Aufgaben des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich.

- die Stiftung Auschwitz-Birkenau (Österreich-Pavillon),

- die Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises,

- Kunstrückgabe (Verwertung).

Der Nationalfonds hat drei Organe:

  1. Kuratorium
  2. Komitee
  3. Vorstand

Vorsitzender des Kuratoriums ist kraft Gesetzes jedenfalls der Nationalratspräsident. Der Nationalratspräsident ist zwar Vorsitzender des Kuratoriums, kann aber die Führung der Sitzungen anderen Mitgliedern des Nationalratspräsidiums übertragen

Auf Kritik der IKG Wien bezüglich seiner Eignung als „Nationalfonds-Vorsitzender“ reagierte Rosenkranz in einem ZIB2-Interview am 27.10.2024 folgendermaßen:

Man muss mit mir nicht sprechen, das kann ich niemandem aufzwingen. Es muss ja nicht von heute auf morgen eine große Freundschaft geschlossen werden, aber ich bin bereit dazu, meinen Beitrag zu leisten, dass das alles entsprechend stattfindet und es braucht sich das jüdische Leben in Österreich vor mir absolut nicht zu fürchten."

Erinnert wird an die Tatsache, dass die FPÖ im Nationalrat im Juli 2020 gegen die Einrichtung des Simon-Wiesenthal-Preises gestimmt hatte.

Durch diesen Beschluss soll vermieden werden, dass just ein Politiker aus dem deutschnationalen, revisionistischen Milieu für Opfer der Shoah, jüdische Friedhöfe, etc. zuständig ist und die Teilnahme von IKG-Repräsentanten im Kuratorium des Nationalfonds sowie beim Simon-Wiesenthal-Preis möglich wird.

Antrag 2:

Daher möge der Kultusvorstand beschließen, dass das IKG-Präsidium an Sitzungen des Kuratoriums nur teilnimmt, wenn diese nicht von Walter Rosenkranz sondern dem Zweiten Präsidenten oder der Dritten Präsidentin geführt werden. Zum Vorsitzenden des Komitees sollte i.d. Sinne einer der beiden „Stellvertreter“ bestellt werden.Der Jury des Simon-Wiesenthal-Preises soll Rosenkranz nicht angehören, die Verleihung soll durch einen „Stellvertreter“ erfolgen, damit die IKG ihre Arbeit beim und für den Wiesenthal-Preis wie bisher fortsetzen kann.

➜ Einstimmig angenommen