Holocaust-Überlebende dankten "St. Louis"-Kapitän in Jerusalem

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Sieben Holocaust-Überlebende und ehemalige Passagiere des deutschen Schiffes "St. Louis" haben ihrem Retter in Jerusalem gedankt. Die Gruppe verlas in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem eine Dankschrift für den verstorbenen Kapitän Gustav Schröder, wie Robert Krakow vom SS St. Louis-Vermächtnis-Projekt am Donnerstag mitteilte.

Das Schiff war 1939 mit 937 Passagieren, vor allem deutsche Juden, von Hamburg nach Havanna gefahren. Doch nachdem sowohl Kuba als auch die USA und Kanada die Flüchtlinge abgelehnt hatten, mussten fast alle wieder nach Europa zurückkehren. Großbritannien, die Niederlande, Belgien und Frankreich nahmen die Menschen letztlich auf.

"Die Passagiere fühlen sehr stark, dass er ihr Leben gerettet hat", sagt Krakow über den Kapitän. Die Überlebende Eva Wiener sagt: "Er war wundervoll. Er hat ihnen Mut gegeben. Er hat alles gemacht, um einen Platz für uns zu finden." Yad Vashem erkannte Schröder 1993 als "Gerechten unter den Völkern" an, weil er sich um die Rettung der Menschen auf dem Schiff bemüht hatte.

Quelle: Jerusalem (APA/dpa)

 
Berichte von Überlebenden, Von Stefanie Järkel/dpa

Sie war blond und blauäugig, ein "richtiges, arisches Mädchen", wie Gisela Feldman über sich selbst sagt. Die 93-Jährige lacht. Doch das Mädchen aus Berlin war vor allem jüdisch - und in den 1930er-Jahren unerwünscht. Den Vater mit dem polnischen Pass brachten die Nazis im Oktober 1938 nach Polen.

"Meine Mutter sagte, jetzt ist es Zeit, dass wir was unternehmen", erzählt Feldman in einem Hotel in Jerusalem. Sie kaufte für sich und ihre beiden Töchter Visa für Kuba. Am 13. Mai 1939 gingen sie in Hamburg an Bord des Luxusschiffes "St. Louis", im Gepäck die Hoffnung auf Freiheit und Sicherheit.

937 vor allem deutsche Juden versuchten vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit der "St. Louis" den Nationalsozialisten zu entkommen. Doch letztlich wiesen Kuba, die USA und Kanada die Flüchtlinge ab. Fast alle mussten nach Europa zurückkehren. 254 kamen im Holocaust um.

Für Robert Rozett, Historiker bei der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, berührt das Schicksal der Passagiere auch heute noch zentrale Fragen in der Flüchtlingspolitik. Er betont, dass die Nazis 1939 noch nicht damit begonnen hatten, Juden zu töten. "Diese Menschen waren nicht vom Tode bedroht, aber sie waren sicher von Verfolgung bedroht", sagt Rozett. "Also, wo verläuft die Linie, wo man die Tore öffnet, wo man Gesetze ändert - und Flüchtlinge reinlässt?"

Die Familie von Gisela Feldman, die damals noch Knepel hieß, hatte das eigene Lebensmittelgeschäft vor der Abreise bereits aufgeben müssen. "Kauft nicht bei Juden", forderten die Nazis. Eine deutsche Familie habe ihre Wohnung gewollt, erinnert sich Feldman.

Die Berlinerin Eva Wiener, damals noch Safier, fuhr mit ihren Eltern ebenfalls auf der "St. Louis" mit. Der Vater, auch Pole, war von den Nazis nach Warschau gebracht worden. Er durfte nur zurückkommen, wenn ihm seine Frau ein Visum für ein anderes Land organisierte. "Ich war das jüngste Mädchen auf dem Schiff", erinnert sich die heute 78-Jährige in Jerusalem - damals knapp zehn Monate alt. In einem weißen Kleidchen trug ihre Mutter Zipora sie die Laufbrücke zum Schiff hinauf.

Bei strahlendem Sonnenschein durchkreuzte die "St. Louis" in den folgenden Tagen den Atlantik. Doch in Sichtweite von Havanna war Schluss. Polizisten seien an Bord gekommen, erinnert sich Gisela Feldman. "Das erste spanische Wort, das wir gelernt haben, war "mañana" - aber morgen kam nicht." Es stellte sich heraus, dass fast alle in Deutschland gekauften Visa nichts mehr wert waren. Kuba nahm nur 28 Passagiere auf.

Ein kubanischer Regierungsmitarbeiter hatte die Papiere privat verkauft, wie Margalit Bejarano von der Hebräischen Universität in Jerusalem sagt. Die Nazis wiederum hätten die "St. Louis" für ihre Propagandazwecke missbraucht. "Es gab eine sehr große antisemitische Kampagne in Kuba extra gegen die Flüchtlinge", sagt Bejarano. Die Nationalsozialisten wollten der Welt zeigen: Seht her, keiner will die Juden.

Die "St. Louis" unter ihrem Kapitän Gustav Schröder fuhr nach Florida weiter. "Wir haben ein Telegramm an (US-Präsident) Roosevelt geschrieben - keine Antwort", erzählt Gisela Feldman. Die USA hielten an ihren strikten Einwanderungsbestimmungen fest. Auch Kanada wollte die Menschen nicht aufnehmen.

Das Schiff musste nach Europa zurückkehren. Durch die Vermittlung von Schröder und dem jüdischen Hilfsverein Joint nahmen letztlich Großbritannien, die Niederlande, Belgien und Frankreich die Flüchtlinge auf. Die Familien Hepel und Safier gingen nach England - wo sie alle den Krieg überlebten. Von den Passagieren, die auf den Kontinent kamen, starben 254 im Holocaust. Die amerikanische Regierung entschuldigte sich 2012 bei Überlebenden der "St. Louis".